
Winter lag über der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt. Nicht in Form von Schnee oder Frost, eher als ein Gefühl der Verlassenheit. Unsere Besuche waren selten und kurz. Ein Blick auf die kargen Beete, den Rasen, die neuen Maulwurfshügel. Stets fielen uns noch ein paar Dinge auf, die wir besser in den Schuppen räumen sollten, falls es doch mal richtig frostig würde. Den Boden um die kälteempfindlichen Büsche abdecken?
Der Winter war fast schneelos
Ernsthaft befürchteten wir nicht, dass das notwendig werden sollte. Der Winter war noch schneelos, bis auf einen Vormittag im Dezember. Einige Frostnächte jedoch zogen eine dünne Eisschicht auf das Wasser in den Regentonnen und im Eimer unter dem freistehenden Handwaschbecken, dessen Wasseranschluss ordnungsgemäß seit Ende Oktober abgedreht war, am Haupthahn in der Grube am Weg.
Wir mühten uns kaum, das wenige Unkraut zu jäten, das von Besuch zu Besuch spross., zwischen den Erbeersetzlingen vom Vorjahr, zwischen den braunen, kraftlosen Stengeln der Blumenstauden, die noch vor wenigen Wochen so farbenfroh und üppig blühten, auch das Unkraut nicht, das inzwischen einige Stellen im neu ausgesäten Rasen besetzte. War es mal sonnig, dann setzten wir uns für einen Moment auf die Terrasse. Unser Blick wanderte herum, über den See, doch bald schon auf die Beete. Dann planten wir etwas für hier und für dort. Die Vorstellungen bewegten sich gen Frühling. Wie würde er, der erste in unserer Parzelle? Der Moment, wenn alles zu sprießen begänne, von einigen Schneeglöckchen abgesehen. Wäre es nur schon soweit!
Der Frühling möge kommen, und zwar bald!
Die Vorstellungen davon, was in diesem Jahr an welcher Stelle gedeihen solle, waren tatsächlich bereits konkret. Umso größer wurde von Besuch zu Besuch unsere Ungeduld. Wir sehnten uns die Zeit herbei, da wir wieder auf der Erdkrume knien, die Winterhandschuhe gegen Arbeitshandschuhe tauschen und den Wasserhahn wieder sprudeln lassen können. Ja, selbst das nahe Werkeln an einer Laube, einige Parzellen entfernt, war kein Lärm, sondern der Vorbote einer Zeit, in der der Garten wieder zum Schaffensraum wird. Das größte Vorhaben aber, das wird noch vor der pflanzlichen Gestaltung, die Begradigung des Weges sein. Wir erinnern uns: der Teil der Gartenparzelle, der die Funktionsweise der Plattentektonik so anschaulich verdeutlicht.
Ein Paradies im Wartestand
Anfang Februar, ein Sonntag, wieder ein Besuch im Garten. Die Mittagssonne stand über dem See, kaum jedoch nennenswert über den Häusern und Baumwipfeln am anderen Ufer. Der Rasen, dort wo er im Schatten der Hecke und der Nachbarlaube lag, war in weiße Kristalle gehüllt. Ein letzter Apfel hing im Baum, zu klein für die Ernte war er gewesen. Für eine Amsel sollte er eine dankbare Speise sein, in einer kargen Zeit, doch hatte auch diese ihn verschmäht. Ein Rascheln in der Hecke, Igel? Spuren auch im Beet, Hufabdrücke? Rehe hatten wir noch keine gesehen, in unserem Garten.
Schnell wurde es kalt und wir zogen die Winterhandschuhe wieder an. Beim Schließen das Gartentores mit dem wuchtigen Vorhängeschloss verabschiedeten wir uns von unserem kleinen Paradies in der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt, das gezwungenermaßen im Wartestand verharrte. Vorerst.
Die Gartengeschichten, auftretende Personen, Situationen und Gegebenheiten, auch die Person des fiktiven Ich-Erzählers, sind frei erfunden und/oder literarisch überhöht. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und real existierenden Gartenkolonien sind rein zufällig.