In der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt, wurde es Herbst. Er kam und er war unvermeidlich. Die sonnigen, warmen Tage des Septembers waren vergangen, der Oktober brachte kühle Frische in die Hügel am See, auf denen sich die Parzellen der Kolonie erstreckten. Die Farben änderten sich. Aus dem brillanten Blau des Sees, das der Sommer noch erstrahlen ließ, auf dem die Sonnenstraße an vielen Tagen funkelte, wurde ein sanftes Grau. Doch es sollte noch bis in den November dauern, bis sich die an den Bäumen verbliebenen Blätter nennenswert verfärbten. Die verblühten Stauden, die Zinnien und der Sonnenhut, waren gestutzt, zerkleinert und auf die Komposthaufen verteilt. Für die Igel legten wir einige Äste übereinander, bedeckten sie mit Laub und Rinde, ein Versteck für den nahen Winter. Es roch feucht, modrig, ein Duft, der Pilze treiben lässt. Er war es, dieser Duft, der den Herbst in seiner Unerbittlichkeit verriet, der mitten hinein stach ins sonnenverwöhnte Herz.
Die Äpfel des Apfelbaumes waren gepflückt oder, gemeinsam mit dem ersten Laub, auf die Wiese gefallen. Eine schmackhafte Sorte, rötlich gescheckt, saftig, mit einer feinen Säure. Die reichliche Ernte stand auf mehrere Eimer verteilt in der Laube und in der Wohnung. Gläser mit eingekochtem Mus reihten sich in den Regalen. Welch ein Gefühl, die Früchte der Arbeit nun greifbar, essbar sogar, aufgereiht zu betrachten. Das ist wohl des Gärtners Glück und jeder Muskelkater der vergangenen Monate sieht sich belohnt.
Nicht sauer sein, Laub!
Ja, das Laub. Für den Igelhügel gaben Apfelbaum, die Fliederbüsche und die Brombeersträuche zu viel Laub her. Zwar sah es schön aus, doch unter dem Laub wurde das Gras bereits gelblich. Wegharken war angesagt! Und sagte man nicht, das Laub solle nicht auf den Kompost, da dieser dann zu sauer würde? Saure Erde, also das will man ja nun nicht. Erstmal in den blauen Sack damit, in den langen Wintermonaten ist Zeit, die Verwendung oder Entsorgung zu planen. Beim Laubharken fand ich schnell heraus, dass der Blick sich nicht auf das verbleibende Laub auf dem Rasen richten sollte, sondern auf den bereits zusammengeharkten Haufen im blauen Plastesack. Auf dem Rasen verbleibt immer noch ein Blatt, der Sack aber, der wird voller und voller!
Letzter Schnitt
An einem Sonnabend im späten Oktober brummten die Rasenmäher aus allen Richtungen, die Wiesen wurden ein letztes Mal für dieses Jahr gestutzt. Auch ich holte den Elektromäher aus dem Verschlag an der Hütte und zog die Bahnen. Es gibt sie wohl, diese lautlosen Mähroboter. Doch das Brummen der Elektromotoren gehört doch sonnabends in die Kolonie, wie das Zucchini-Beet und die Sonnenschirme auf den Terrassen, wie jetzt im Herbst das Raucharoma der Laubfeuer in den Feuertonnen.
Plattentektonik
Nein, den Weg würden wir in diesem Jahr nicht mehr richten. Die Platten waren über die Jahre tektonisch gewandert, sodass Zentimeter breite Spalte zwischen ihnen Platz boten für Löwenzahn und Sauerklee. Da müsse man zunächst die Randsteine gut befestigen, am besten mit einem Betonfundament, so die Expertenmeinung. Sonst verrutschen die sofort wieder. Der Untergrund müsse mit frischem Sand aufgefüllt und mit einer sogenannten Rüttelplatte verdichtet werden. Solch ein schweres Gerät, was man von Baustellen kennt. Das kann man sicher im Baumarkt ausleihen, aber ob die es auch bringen? Das wiegt ja ordentlich! In den Wagen bekäme ich es nicht. Ob ich wohl jemanden mit Anhänger kenne?
So beraten fand ich den Weg eigentlich wieder ganz akzeptabel. Was störten mich ein paar Spalte zwischen den Platten? Und das bisschen Spontanvegetation sieht doch hübsch aus! Allerdings, so erfuhr ich später, besitzt der Verein eine Rüttelplatte und verleiht diese auch. Am günstigsten im Frühjahr, wenn der Verein die Reparatur-Runde über alle Wege zur Befestigung der Winterschäden organisiert. Guter Plan und ein Argument, den Weg erst im Frühjahr zu richten.
Nutze die Zeit!
Inzwischen kosteten wir jeden Sonnentag aus, später jeden Tag, an dem es nicht regnerisch oder eisig war. Wenigstens kurz mal im Garten schauen, ob alles in Ordnung ist, ob wir noch etwas tun könnten. Denn wir fühlten schon den einziehenden Winter, der Abschied von der Gartensaison war nah. Der Stich ins Herz, da war er wieder!
Ein Grund mehr, den Frühling herbeizusehnen, in der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt. Doch Moment: War da nicht noch etwas mit dem Wasseranschluss zu regeln, bevor der erste Frost kommt?
Die Gartengeschichten, auftretende Personen, Situationen und Gegebenheiten, auch die Person des fiktiven Ich-Erzählers, sind frei erfunden und/oder literarisch überhöht. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und real existierenden Gartenkolonien sind rein zufällig.