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Veni, vidi, vegi 9 – Tofu? Schmeckt doch nicht!

Tofucurry mit Reis
Viele Varianten: auch als Tofu-Curry mit Reis sehr köstlich

Einer der klassischen Einwände gegen vegane Kost, oder vielleicht eher ein klassischer Vorwand, den ich häufiger höre, ist, dass Tofu angeblich nicht schmecke. Fade, nach nichts, wie Pappe, wie Gips, wie ein mundvoll Schleim. Tofu, das sei doch Leitungswasser mit etwas Konsistenz, die kulinarische Luftpolsterfolie. Wenn das die heilig gepriesene Alternative zum geliebten Steak sein soll – wie könne man dann bitte auf Fleisch verzichten? Und überhaupt: Wird für den Sojaanbau nicht der Regenwald abgeholzt? Von wegen vegan sei gut für die Umwelt. So doch nicht!

Durchatmen.
Mein Gegenüber grinst überlegen. Noch mal davongekommen?

Dabei ist dieses Argument – ich nehme für einen Moment mal an, es sei tatsächlich eins – mindestens auf zwei Ebenen falsch. Zunächst die geschmackliche:

„Ich mag kein Mehl, also kann ich kein Brot essen.“
Klingt absurd, oder? Wir kennen doch alle Brot und Brötchen, Baguette und auch Kuchen. In allem steckt Mehl, das für sich allein nicht schmeckt, aber als Zutat unersetzlich ist. Und so verhält es sich mit Tofu. Nimm so ein Stück gepressten Sojaquark und lass deine Fantasie spielen. Gib Kräuter hinzu, oder scharfe Sojasauce, bade ihn in Marinade, nimm die geräucherte Variante, schmeiß ihn in einen Gemüsegulasch. Brate ihn, bruzzle ihn in Kokosmilch oder zerquetsche eine halbe Zitrone über ihm. Und schon wird aus dem geschmacklosen Waschlappen, aus dem labbrigen Quader, der Geschmacksträger des Jahrhunderts.

Höre ich da ein laut gedachtes: „Dann schmeckt er aber nicht mehr nach Tofu“?

Mag sein. Aber das muss er ja auch nicht.
Dein Fleisch schmeckt ja auch nicht nach Fleisch. Du beißt ja nicht in das tote Ding hinein, ohne es zu behandeln. Weshalb also sollte Tofu schon alles mitbringen, was du von deinem Stück Schwein auch nicht verlangst?

Tofu ist nun mal eine Konsistenz mit Potential. Eine Bühne für Geschmack. Und das macht ihn zum Allrounder, zum Joker, zum Trumpf-As der veganen Küche. Als Seidentofu wird er zum zarten Dessert, in Teriyaki-Marinade zum feurigen Japan-Trip.

Und selbst, wenn Tofu tatsächlich nicht schmecken würde – selbst dann wäre das kein Aus für die vegane Küche. Denn die kennt Alternativen in Hülle und Fülle: Tempeh und Seitan zum Beispiel.
Tempeh wird aus fermentierten Sojabohnen hergestellt und hat eine etwas festere Konsistenz als Tofu. In der asiatischen Küche wird er gerne frittiert serviert. Seitan besteht aus Weizenprotein und weist gegenüber den beiden Sojaprodukten einen kernigeren Biss auf. Daher wird Seitan zum Beispiel gerne als vegane Variante des Döner Kebab verwendet.

Und wie war das nun mit dem Regenwald?
Der Soja-Anbau in Südamerika ist tatsächlich ein Umweltproblem. Nur: Rund 80 % des weltweit angebauten Sojas werden geschrotet und als Tierfutter verfüttert. Das größte Problem dabei: Eine Kuh muss etwa das Hundertfache an Soja essen, um dieselbe Kalorienmenge in Form von Milch oder Fleisch zu liefern. Also ist es doch sinnvoller, ein Stück Tofu zu nehmen, es zu würzen und zu braten – als die vielfache Menge an Soja durch ein Rind zu schleusen und am Ende… auch zu würzen und zu braten. Oder?

Das Soja für den Tofu, der in deutschen Supermärkten verkauft wird, stammt übrigens größtenteils aus europäischem Anbau. Beim Tofu steht das häufig auf der Verpackung. Auf deinem Fleisch fehlt diese Angabe, daher kann man es sehr einfach verdrängen.
Also ja: Umweltschutz ist beim Thema Soja wichtig – aber auch dieses Argument spricht eher für Tofu als dagegen.

Also, wenn dir Tofu wirklich nicht schmeckt – kein Problem. Dann iss halt Tempeh oder Seitan. Oder eine Linsensuppe. Oder irgendetwas anderes aus der unerschöpflichen Schatzkammer der pflanzlichen Küche.
Aber bitte sag nicht, du kannst nicht vegan essen. Sag lieber: Du willst nicht.


"Veni, vidi, vegi" ist meine monatliche Kolumne zu Themen rund um die vegane Lebensweise. Sie erscheint jeweils am ersten Sonntag im Monat. Alle geschilderten Personen und Situationen sind frei erfunden, jedoch inspiriert von tatsächlichen Begebenheiten.

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