
Der Frühsommer kam, in der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt. Er brachte: Wochenlange Trockenheit. Und allerlei Pflanzen – essbare und nicht essbare, erfreuliche und weniger erfreuliche.
Essbar und erfreulich, Unkraut und Kraut
Die erfreulichen Essbaren: Erdbeeren, Sauerkirschen, Kopfsalat in spärlicher Ausbeute, Spinat, Schnittlauch, Frühkartoffeln.
Die erfreulichen Nichtessbaren: Zinnien, Pfingstrosen, Rosen, Flieder, Lavendel.
Die eher unerfreulichen: Giersch (auch essbar), Sauerklee, Zaunwinde – und diverse stachelblättrige Arten, die ich der Einfachheit halber als „Disteln“ zusammenfasse.
Die unerfreulichen, nicht essbaren werden gemeinhin Unkraut genannt. Ein namenloses Kraut konnte ich noch ganz unbefangen als Unkraut bezeichnen und rigoros rausrupfen. Nun aber, da ich ihren Namen herausgefunden habe, da sind sie mir doch eigentlich vetraut. Ich möchte sie fortan als Kraut bezeichnen.
Ebenso die vielen bunten Blumen auf dem Rasen, denen wir Platz zum Wachsen ließen. Obwohl sie in gängigen Top-10-Listen der unbeliebtesten Gartenkräuter ganz oben stehen, waren sie uns willkommene Farbtupfer. Und solange selbst die Nachbarn mit dem gepflegtesten Rasen der Kolonie – makellos, golfplatztauglich – uns noch freundlich grüßten, wollten wir den Rasen sprießen lassen. Alles Bio. Alles Natur.
Wegelagerer und Getigerte
Doch noch vor dem ersten erlösenden Regen im Mai kam ein anderes Problem: Schnecken. Unsere Pflanzensetzlinge – Kohlrabi, Grünkohl, Zucchini – hatten jedenfalls mächtig zu kämpfen. Immerhin gibt es Hoffnung, denn nicht alle Schnecken sind gleichermaßen gefräßig. Die spanische Wegschnecke oder die genetzte Ackerschnecke, die mögen Bitte unsere Beete meiden . Beide werden aber vom Tigerschnegel gejagt und vertilgt. Und Schnecken mit Haus sind sowieso hilfreich, sie fressen eher abgestorbene Pflanzenteile oder sogar Ungeziefer. Sobald ich auch deren Namen kenne: Geziefer.
Faustregel für Schnecken:
- Mit Haus – meist harmlos.
- Ohne Haus, mit Muster – sehr willkommen.
- Ohne Haus, ohne Muster – schlecht für alles, was wachsen soll, geht weg!
Als großer Tierfreund hatte ich anfangs eine hohe Hemmschwelle, Schnecken zu töten. Wer kein Gift einsetzen möchte, versucht es mit Bierfallen oder sogar Giftkörnern. Oder – ganz manuell: einsammeln und mit kochendem Wasser übergießen. Oder mit der Gartenschere durchtrennen. Das heiße Wasser, so liest man, sei die „schnellere und damit weniger grausame“ Variante.
Wir begannen mit Einsammeln – und Aussetzen. Auf dem Rückweg, weit entfernt von der Kolonie, am See, bei den Enten. Vielleicht würden die sich ja für eine Extramahlzeit bedanken.
Doch nach drei verlorenen Anpflanzungen wollte meine Mitgärtnerin mir nicht mehr erzählen, weshalb nun weniger Schnecken im Garten sind. Ein Funkeln in ihrem Blick ließ vermuten: Es war keine Ente, die da geholfen hatte. Vielleicht war es ein Topf heißes Wasser. Vielleicht zwei.
Bauprojekte, die Spalten zu glätten
Neben Jäten, Gießen und Schneckenverschickung (bewusster Euphemismus) stand im Frühsommer noch etwas anderes an:
Bauprojekt 1 unseres Gartenlebens. Der Weg.
In früheren Gartengeschichten berichtete ich von der geerbten Ansammlung tektonisch verschobener Betonplatten, die sich auf rund zwanzig Metern vom Gartentor bis zur Laube zogen. Der Plan: Entfernen, kärchern, neu verlegen. Über Ostern schafften wir die Grundlage: 18 Meter Randsteine, akkurat vermessen, mit gespannter Schnur in manuell angerührten Beton gesetzt. 72 Platten warteten noch auf ihren Einsatz – auf einer geglätteten, gestampften, mit Split abgestreuten Fläche. Würde die Verlegung gelingen? Gefeih oder Verderb hing allein von der Präzision der Randsteine ab. Denn die saßen fest. Im Beton verankert, unverrückbar.
Doch es ging. Der Sommer kam und die ersten Meter des Weges lagen – fast eben. Ein leichtes Wippen bei drei, vier Platten? Der Fugensand wird das schon richten. Ganz bestimmt. Ganz sicher. Gaaaanz sicher!
Ein Auge meines Biogewissens allerdings weinte dabei eine paar Tränen. Denn wir versiegelten gerade 18 Quadratmeter Fläche – fast fünf Prozent unseres Gartens. Nach der Entsiegelung also wieder eine Versiegelung. Und das in Zeiten des Klimawandels!
Doch, ach – wie beruhigend gerade liegen sie da, ein nahezu befriedigender Anblick, Beton in Reih und Glied, wo früher Kontinentalspalten klafften! Ein Anblick zum Niederknien. Zum Drauf- und Darübergehen. Den zweiten Teil des Weges – er führt von der Laube zur Terrasse – nehmen wir uns ganz bestimmt auch noch vor. Auch dort: gewaltige Spalten.
Aber heute: Frühsommer. Sonne. Zinnien. Lavendelduft. Und ein Weg, der sich sehen lassen kann – in der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt.
Nur der Regen, der ließ wieder auf sich warten. Solange heißt es: gießen, gießen, gießen. Und der Sommer ist noch jung.
Die Gartengeschichten, auftretende Personen, Situationen und Gegebenheiten, auch die Person des fiktiven Ich-Erzählers, sind frei erfunden und/oder literarisch überhöht. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und real existierenden Gartenkolonien sind rein zufällig.