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Veni, vidi vidi 10 – Aber Pflanzen fühlen doch auch!

Sojabohnen
Sojabohne schreit um Hilfe: "Rettet uns, wir werden geerntet!"

Früher oder später, wenn das Gespräch auf vegane Ernährung kommt, höre ich es, den Scherz, den Einwand, den Vorwand: „Aber Pflanzen haben doch auch Gefühle!“

Er klingt ja ganz witzig, eigentlich harmlos, sogar tiefsinnig – ist aber in den meisten Fällen kein Einwand, sondern ein Vorwand. Oder nur eine Nebelkerze, um sich nicht auf eine ernsthafte Diskussion über Tierleid einlassen zu müssen. Ein Einwand wäre ein ernst gemeintes Argument, ein Versuch, sich argumentativ mit Moral oder Geschmack auseinanderzusetzen. Ein Vorwand hingegen ist eher der Versuch, die Ausrede, sich nicht verändern, sich nicht einlassen zu müssen.

Denn mal ehrlich: Wer diesen Satz sagt, isst selten konsequent pflanzenfrei. Nein, in der Regel beißt diese Person gerade in ein Wurstbrötchen, während sie Mitleid mit dem Möhrchen vorschützt. Oder will sie mir eigentlich nur eine Du-Botschaft mitteilen: „Was sorgst Du Dich um Tierwohl, wo Du nicht mal das Pflanzenwohl respektierst? Also mache mir (durch Dein Verhalten) bloß keinen Vorwurf!“

Doch das Scheinargument schlägt fehl, und zwar in mehrfacher Hinsicht.

1. Wer Pflanzen schützen will, isst besser keine Tiere

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Wer wirklich Mitleid mit Pflanzen hat, sollte keine tierischen Produkte konsumieren. Denn diese fressen Pflanzen in rauen Mengen.
Für ein Kilogramm Rindfleisch braucht es etwa 12 Kilogramm Futterpflanzen 1. Für ein Glas Milch: mehrere Liter Wasser, Kiloweise Gras, Mais, Soja.
Wer wirklich Pflanzen „retten“ will, isst sie am besten direkt. Ohne den Umweg übers Tier. Alles andere ist ineffizient – und somit verlogen.

2. Ein Grashalm ist kein Kaninchen

Ja, Pflanzen leben. Sie reagieren auf Reize, sie wachsen, sie kommunizieren sogar auf ihre Weise.
Aber sie empfinden keinen Schmerz 2.
Ihnen fehlt, was Tiere besitzen: Ein Nervensystem und ein Gehirn, das die Nervenreize als Schmerz interprtieren könnte.

Tiere schreien, wenn sie verletzt werden. Sie zeigen Angst. Sie leiden.
Und das – mit Verlaub – unterscheidet sie von einem Sellerie.

3. Wer das ernst meint, müsste konsequent sein

Wenn jemand wirklich glaubt, dass Pflanzen fühlende Wesen sind, dann stelle ich gern ein paar Fragen:

– Mähst du noch Rasen?
– Pflückst du Erdbeeren?
– Isst du Tomaten, obwohl sie beim Ernten nicht „freiwillig“ vom Strauch fallen?

Wenn nein: Respekt. Wenn ja: Bitte erzähl mir nicht, du isst Tiere wegen deines Mitgefühls für Pflanzen. Das ist nicht nur paradox – das ist bequem, eine Ausrede.

4. Es geht um Verantwortung

Natürlich ist alles Leben wertvoll. Und natürlich stirbt auch ein Brokkoli, wenn ich ihn schneide. Aber Verantwortung heißt nicht: Alles oder nichts. Verantwortung heißt: Möglichst wenig Leid. Möglichst wenig Schaden. Und da gibt es einen himmelsweiten Unterschied zwischen einer Karotte und einem Kalb.

Vegane Ernährung heißt nicht: perfekt sein. Sondern: besser entscheiden. Jeden Tag ein bisschen besser. Nicht, weil Pflanzen keine Rolle spielen. Sondern, weil Tiere eben eine bedeutendere Rolle spielen.

Sei ehrlich!

Wenn dir also das Schicksal der Pflanzen wirklich am Herzen liegt: Willkommen. Dann isst du vermutlich schon lange vegan.

Wenn nicht, dann sag doch bitte einfach: „Ich habe keine Lust, auf Fleisch oder Käse zu verzichten.“

Das ist ehrlich. Damit kann man reden. Aber bitte: kein Mitleid mit dem Möhrchen heucheln, während Du nach dem Mettbrötchen lechtzt.


(1): Zahlen, Fakten, Fleischkonsum

(2): Haben Pflanzen ein Bewußtsein?


"Veni, vidi, vegi" ist meine monatliche Kolumne zu Themen rund um die vegane Lebensweise. Sie erscheint jeweils am ersten Sonntag im Monat. Alle geschilderten Personen und Situationen sind frei erfunden, jedoch inspiriert von tatsächlichen Begebenheiten.

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