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Veni, vidi vidi 12 – Vegan? Verfügbarkeit und Verführung

Salat vegan
Salat vegan mit "Extralocken"

Wenn die Bestellung zur Bühne wird

Ein geselliger Abend im Restaurant, ein fröhliches Treffen im Bekanntenkreis – für Veganer*innen kommt es dabei regelmäßig zu einem heiklen Moment: Beim suchenden Blick auf die Karte: Gibt’s hier auch was Veganes? Oder beim Zusammenstellen des Essens aus veganen Komponenten.

Oft ist die Auswahl überschaubar. Manchmal muss man sich das Gericht wie ein Mosaik zusammensetzen: „Salat nur mit Essig und Öl, Gemüsebeilage, aber bitte ohne den Frischkäse-Dip, und noch eine Portion Pommes frites – und das Brot vielleicht extra …?“ Voilà, Bestellung geglückt. Der Kellner schaut schon etwas genervt, die anderen Gäste haben alle die 132, 87 oder 16b bestellt.

Extralocken

In meiner früheren Firma gab es einen gängigen Begriff für Kunden, die nicht von der Stange, sondern alles indivuell angepasst bestellt haben: "Extralocken". Das war in der Regel keine positive Zuschreibung. Wer Extralocken bestellt, stellt sich ins Rampenlicht, normal ist wohl nicht gut genug? Beim gemeinsamen Essen geht das Gespräch nun nicht mehr um Urlaubspläne oder den gemeinamen Arbeitstag, sondern um die Frage: „Ach, du bist vegan? Weshalb?“

Gruppendruck und kognitive Dissonanz

Solche exponierten Situationen möchten man lieber vermeiden, ich auchin den vergangenen Jahren. Um nicht kompliziert zu wirken, entscheiden sich viele Menschen für das Einfachere: irgendein vegetarisches Gericht wird es schon tun. Vegan daheim, auswärts ist vegetarisch schon verrückt genug. Gruppendruck wirkt subtil, aber stark. Und schon knabbert man nicht nur am überbackenen Camembert, sondern auch an seiner kognitiver Dissonanz.

Denn eigentlich sagen viele: „Ich liebe Tiere.“ Gleichzeitig landen diese oder das, was sie unter schwer erträglichen Bedingungen hergeben, auf dem Teller. Ein Widerspruch, in der Psychologie als kognitive Dissonanz bezeichnet: Wir handeln entgegen unserer Überzeugungen, weil es bequemer ist. So können wir die Konsequenzen unseres Handelns ausblenden, wie praktisch!

Drei Gründe, warum wir nicht vegan essen

Warum aber essen viele Menschen Fleisch und Tierprodukte, obwohl sie vorgeben, Tiere zu lieben? Wahrscheinlich aus drei Gründen:

  1. Verfügbarkeit: Vegane Gerichte sind oft schwer zu bekommen
  2. Soziale Erwünschtheit: Außenseiter*in sein fühlt sich selten gut an
  3. Gewohnheit: „Das haben wir schon immer so gemacht“

Der saure, vegane Apfel

Eine echte Zwickmühle also. Wie kommt man da raus? Manchmal hilft nur der beherzte Biss in den veganen, aber sauren Apfel: Fragen beim Bestellen, nachhaken. Die Hoffnung: "Extralocken" werden irgendwann salonfähig. Jede Nachfrage trägt dazu bei, dass das Angebot wächst. Da muss ich halt (noch) durch.

Auch Verführung spielt eine Rolle. Wer sich in der Gruppe nicht isolieren möchte, wählt hin und wieder „nur“ vegetarisch. Aber schnell wird die Ausnahme zur Regel: "Früher habe ich doch auch den überbackenen Camembert gegessen, komm, es wird mir nicht schaden. Außerdem ist es ja leckerer als die Gemüsebeilage.

Mein 98-Prozent-Weg

Auch ich genehmige mir manchmal Ausnahmen. Derzeit liege ich bei etwa 98 % vegan, das heißt eine nicht-vegane Mahlzeit etwa alle zwei Wochen. Perfekt? Nein. Aber ein gutes Stück besser als früher. Und ich weiß: Die letzten zwei Prozent schaffe ich auch noch.

Bis dahin bleibe ich dran – und hoffe, dass Extralocken irgendwann nichts Besonderes mehr sind, sondern ein selbstverständlicher Teil des Angebots. Dann kann ich Essen bestellen, ohne dass ich der Sonderling bin, der Tiere mag und tatsächlich nicht möchte, dass sie für sein Essen sterben oder leiden.


"Veni, vidi, vegi" ist meine monatliche Kolumne zu Themen rund um die vegane Lebensweise. Sie erscheint jeweils am ersten Sonntag im Monat. Alle geschilderten Personen und Situationen sind frei erfunden, jedoch inspiriert von tatsächlichen Begebenheiten.

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