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Gartengeschichten: Der Stumpf muss weg

Efeu Gartengeschichten
Was wild wuchert, wird weichen!

In der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt, tat der Spätsommer noch einmal alles, um die Thermometer in die Höhe zu treiben. Seit wenigen Tagen war die Parzelle am Hang nun unsere Zuflucht im Grünen, unsere Grünoase, unser Paradieschen. Die Gartenfrüchte, die wir vom Vorgärtner geerbt hatten, ernteten wir beinahe täglich und wurden erfinderisch bis kreativ, was die Verarbeitung anging. Tipps und Tricks dafür finden sich natürlich reichlich, dort und hier. Die ruhigen Minuten auf der Terrasse wussten wir zu genießen, auch wenn jede Ecke unserer Parzelle uns pausenlos zurief, wie sie gestaltet werden will.

Der Überschwang der Glückshormone, die der neue Garten in den ersten Tagen ausschütten ließ, verleitete mich zum Leichtsinn.

"Das da, das muss aber raus, oder?", fragte ich in einem unbedachten Moment des Müßigganges.

"Das da", das war ein Baumstumpf von etwa 1,20 Metern Höhe, mächtig von Efeu umwuchert, so dass der Blätterzwerg eine ganze Ecke des hinteren Rasenstückes einnahm. In meiner Vorstellung sah ich mich mit einer Gartenschere bewaffnet einen eleganten Rundschnitt anlegen und schon bald den Stammesrest, den Kollege Kirschbaum vor einigen Jahren übrig ließ, ans Sonnenlicht zu befördern. Auch die Videos "Baumstumpf ausgraben, so viel Arbeit ist es wirklich!" und "Kniffe für die Laube: Hüte Dich vor Rankenzeugs!" konnten mich nicht abhalten, an einem schönen Sonnabend zur Tat zu schreiten.

Während das Thermometer in den letzten Stunden des Tageslichts auf 24 Grad heruntergeklettert war, hatte ich immerhin schon eine schöne kahle Stelle in den Efeuumhang gestutzt. Sagen wir mal die Hälfte des Blattwerks von der unteren Hälfte Efeu war weg. Ein Baumstamm war indes nicht zu sehen. Nur ein Labyrinth aus kreuz, quer, hoch und rundherum verlaufenden Efeuästen. Zwei große Müllsäcke mit Grünschnitt waren gefüllt. Das Volumen des Rankengewächses muss sich dabei verfünffacht haben.

Man solle die Äste möglichst ganz lassen und dabei die kleinen Haftwurzeln, mit denen die Efeuranken sich an den Baumstamm klammern, möglichst unbeschadet vom Stamm lösen, da sich diese bei Bodenkontakt erneut vermehren und zu gigantischen Efeuranken heranwachsen. Wie soll das gehen? Bei dem Geflecht, das unter der obersten Lage Blätter zum Vorschein kam, konnte ich mir das selbst in der Theorie nicht vorstellen. Die Praxis sah so aus: Den Ast schneiden, ziehen, ziehen, ziehen und hoffen, dass er sich irgendwie aus der Umklammerung der Nebentriebe lösen lassen würde. Ansonsten: schnipp-schnapp, nochmal ab.

Auch solle man auf keinen Fall Wurzelstränge in der Erde belassen, auch nicht die Allerkleinsten, da, wie gesagt, aus dem kleinsten Stück Efeu-DNA wieder Monster-Ranken entstehen würden.

Am folgenden Tag war etwa ein Kreis mit einem Durchmesser von zwei Metern bis in eine Tiefe von 60 Zentimetern ausgehoben, umgegraben, gesiebt und gefiltert und so hoffentlich von allem bösen Wurzelwerk befreit. Einzig der Teil des Baumstammes, der nicht wegen jahrelangen Morschens freiwillig umkippte, als das Stabilität gebende Efeugeflecht entfernt war, war noch in der Wiese verblieben. Sägen, hier müsse man ganz eindeutig mit der Säge ran! Ganz nebenbei bemerkt: Die ersten beiden Paare Gartenhandschuhe waren nach drei Tagen durch.

Am Sonntagabend fuhr ich die sechste Schubkarre mit Efeuschnitt zum Grünschnittcontainer, der verkehrsgünstig, einen halben Kilometer von unserer Parzelle entfernt, in der Mitte der Kolonie aufgestellt war. Jeden von Efeuzweigen durchlöcherten Sack hiefte ich die Stufen hinauf und leerte ihn aus. Auch den großen Stamm mit der schönen Efeukrone, den Einmeterzwanzigefeuzwerg, konnte ich dort entsorgen. Nein, auf den parzelleneigenen Komposthaufen gehört nichts, was rankt und sich schneller ausbreitet, als man nachjäten kann. Keinesfalls! Wegen der Gefahr des Nachwachsens durch minimale DNA-Kontamination.

Ob wir das gesamte Wurzelwerk auch akribisch genug entfernen konnten? Das wird die kommende Gartensaison zeigen, in der Gartenkolonie am See, am Rande der Stadt.

Ich hoffe, dass bis dahin genügend Gras über die Sache gewachsen ist.


Die Gartengeschichten, auftretende Personen, Situationen und Gegebenheiten, auch die Person des fiktiven Ich-Erzählers, sind frei erfunden und/oder literarisch überhöht. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und real existierenden Gartenkolonien sind rein zufällig.

2 Gedanken zu „Gartengeschichten: Der Stumpf muss weg

  1. Sabine Dieterich

    Ja lieber Oliver so ist das. Es gibt immer was zu tun. Ich musste ziemlich viel schmunzeln bei dieser Geschichte. Ich habe nie unter geschaut. Nur geschnitten. Die Nachbarin links erzählte, es war ein Kirschbaum.
    Das habt Ihr Euch was versucht.
    Denkt daran, es galt als Anbau. Nun ist die Wiese wieder größer.
    Pflanzt was schönes dahin.
    Zeit zum verweilen auf der Terasse hatte ich wenig. 3 h durch den Garten gelaufen und gepusselt. Hier was geschnitten, hier was gejätet, dort was gepflanzt und gegossen.
    Immer was zu tun.
    Ich war ziemlich pingelig.
    Es ist trotzdem Wehmut dabei, ihn nicht mehr zu besitzen.
    Aber Ihr werdet es schon machen.
    Heute war Vereinsteilfest.
    Schade, Ihr ward nicht da. Auch darüber hättest Du eine tolle Geschichte schreiben können.
    HG Sabine

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  2. OH

    Liebe Sabine,
    vielen Dank für Deinen Kommentar. Und noch viel mehr Dank möchte ich Dir für das gesegnete Stückchen Land am See am Rande der Stadt aussprechen. Ihr habt uns als "Vorgärtner" eine wunderschöne Parzelle, bestens in Schuss, übergeben und nun dürfen wir ran, um es nach unserer Lust und Laune umzugestalten. Das bereitet uns gerade riesige Freude und wir freuen uns auf den Gartenherbst und die kommende Gartensaison.
    Beim Fest wären wir gerne dabei gewesen, das hat leider nicht geklappt, aber wir werden ganz sicher auch an zukünftigen Feiern in der Kolonie teilnehmen.

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