Es war nur eine kurze Frage und ich zögerte, sie zu stellen: „Sind die vegan?“
Wir hatten ganz wunderbar gegessen. Wirklich kreative, besonders zusammengestellte Gerichte, saisonal, biologisch und vegan. Das Restaurant, ländlich in Norddeutschland gelegen, hat zwar die ganze Palette im Angebot: Fleisch, Fisch und vegetarisch stehen in der Karte. Auf Nachfrage, und am besten mit Vorankündigung, wird aber sehr gerne ein komplettes Menü in vegan zubereitet, das verspricht die Internetseite. Den Wunsch "vegan" hatten wir also bei der Tischreservierung angemeldet und bei der Bestellung nochmals betont, alles bestens. Die Gerichte waren dann auch, ich wiederhole es gern, äußerst köstlich, kreativ und saisonal zusammengestellt und ganz augenscheinlich vegan.
Beim Servieren wurde uns jede Komponente erklärt. Es gab winterliches Gemüse: Urkarotte, Pastinake, Rote Beete, Kreationen mit Apfel, Kartoffel, Wintergetreide, alles wunderschön angerichtet. Der Preis für die Qualität war angemessen, aber keinesfalls zu hoch. Kurzum, wir fühlten uns wohl und mit unserer veganen Vorliebe verstanden.
Dann kam aber der heikle Moment. Nach dem Mahl bestellten wir Espresso und wurden gefragt, ob wir auch einen Nachtisch möchten. Ich zögerte einen Moment, meinen Blick unsicher nach gegenüber gerichtet. Ob wir von den selbstgemachten Pralinés möchten? Das es sie gab war mir bekannt, denn ich hatte die Karte studiert. Dennoch zögerte ich einen Moment, um schließlich doch zu fragen: „Sind die vegan?“
In der Karte gab es dazu keine Information und für mich war es nicht selbstverständlich. Denn von kleinen Feinheiten mit Schokolade, die als Nachspeise in der Speisekarte stehen, erwarte ich nicht, dass sie vegan sind.
Unsere Gastgeberin war dennoch irritiert, möglicherweise sogar in ihrer Ehre gekränkt. Natürlich wusste sie, dass wir bis dahin komplett vegan bestellt hatten. Als aufmerksame Gastronomin hatte sie das ganz sicher im Blick, zumal die Zahl der Gäste noch überschaubar war. Dennoch war es mir ein Bedürfnis, das vor meiner Bestellung zu klären. Die Antwort war leider eher sybillinisch als konkret: Manche Menschen würden Zartbitterschokolade als vegan betrachten, manche nicht. „Das kommt drauf an, ob sie es ist“, sagte ich wohl, bestellte aber im gleichen Moment den Nachtisch, der ebenso köstlich war wie die Vor- und Hauptspeise. Es blieb ein kleiner Moment der Unsicherheit, die das Gesamterlebnis allerdings nicht trübte.
Ich akzeptiere für mich, gerade wenn ich in ein Restaurant gehe, das auch nicht-vegane Speisen anbietet, dass ich hier nicht die hundertprozentige Kontrolle über alle Zutaten habe. Im Zweifel bin ich lieber höflich als nervig. Vielleicht war die Nachfrage in der Situation bereits zu viel, für mich war es die Sorgfaltspflicht mir gegenüber, die meine Unsicherheit zum Ausdruck brachte.
So sehr ich für Gastronom*innen Verständnis habe, die sich durch allzu kritische oder anspruchsvolle Veganer*innen gegängelt fühlen, ist aus Sicht des Gastes eine Nachfrage andererseits häufig gerade notwendig. Denn es gibt sie noch, die Klassiker: Salat mit Putenstreifen auf der Speisekarte in der Kategorie „Vegetarisch“ oder Fisch unter fleischlosen Gerichten. Bei veganen Speisen muss ich darauf vertrauen, dass beispielsweise auch Saucen vegan zubereitet werden. Weiß die Küche oder die Bedienung immer genau, was der Unterschied zwischen vegan und vegetarisch ist? Den Eindruck habe ich nicht in allen Gaststätten, die mit veganen Optionen werben, noch weniger bei denen, die erst auf Nachfrage sagen, dass sie welche hätten.
Dazu passt ein zweites Beispiel: Landgasthof im Münsterland, das Angebot: schnitzellastig. Ein Schild vor dem Haus wirbt mit veganen Speisen. „Für den kleinen Hunger“ war das Falafel mit Pommes und auf der Schnitzelseite stand unter dem Hähnchenschnitzel ein Valess-Schnitzel (vegan). Beide seien in allen Varianten zu bekommen, also als Champignon-Rahmschnitzel, als Schnitzel-Hawaii mit Käse überbacken, mit Sauce Hollandaise oder in der BBQ-Variante mit extra Speck. Was wohl der Sinn eines veganen Schnitzels wäre, wenn es mit Käse überbacken ist oder ich Speck dazu bestelle, fragte ich mich bei der Lektüre. Dass eine der Saucen-Varianten vegan sei, stand nicht in der Karte. Ich ließ mich also beraten: Welche Variante könne ich denn zum veganen Schnitzel nehmen? Nun, es war, falls ich vegan bleiben wolle, keine. Und woraus das Valess-Schnitzel denn besteht, erkundigte ich mich. Also ob aus Soja, Weizen, Kichererbsen oder aus einer anderen Proteinquelle. Das konnte mir die Bedienung ebenfalls nicht sagen. Sollte ich womöglich der erste Gast seit 2019 sein, der dieses Schnitzel bestellt? Also nahm ich das „vegane“ Schnitzel ohne Variante, sprich ohne Sauce, aber mit Kroketten. Lecker. Aber etwas trocken. Das vegane Bier glich das etwas aus.
Die böse Überraschung gab es daheim. Da ich den Begriff Valess-Schnitzel nicht kannte, ging ich auf Recherche: diese werden aus „Magermilch und weiteren sorgfältig ausgewählten Zutaten“ hergestellt, so die Info des Herstellers. Alle Valess-Schnitzel sind dort als vegetarisch angegeben, vegan ist keines. Das im Landgasthaus im Münsterland also höchstwahrscheinlich ebensowenig.
Schreibe ich dem Gastronom nun ein wütende E-Mail? Ich ließ es bleiben, werde jene Örtlichkeit aber in Zukunft meiden. Schade um den Vertrauensvorschuss in diesem Fall.
So unterschiedlich beide Situationen waren, so typisch sind sie doch für Gastronomie-Erlebnisse als Veganer*in.
Daher meine Bitte an Dich liebe/r Gastronom*in: Habt Verständnis für unsere Sorgen! Und am besten entkräften kannst Du diese indem Du signalisierst, dass Du verstehst, worauf es bei der veganen Küche ankommt. Eine eindeutige Kennzeichnung in der Speisekarte, die zwischen vegetarisch und vegan unterscheidet, hilft sehr. Und bitte nicht mehr den Salat mit Putenstreifen oder Thunfisch in der Kategorie "Vegetarisch" auflisten, auch nicht den Zander unter „Fleischlose Gerichte“. Auch wenn es für 90 % Deiner Gäste keine Rolle spielt. Es gibt diejenigen, die darauf achten und die es wertschätzen, wenn ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Es ist längst nicht mehr die exotische Minderheit, die auf diese „Kleinigkeiten“ achtet.
Ich verspreche: Dann komme ich auch gern mit mehr Vertrauensvorschuss in Dein Restaurant und versuche nicht zu nerven.
"Veni, vidi, vegi" war die monatliche Kolumne zu Themen rund um die vegane Lebensweise auf meinem Blog "Einfach VEG". Da ich den Blog aus mehreren Gründen nicht mehr weiterführe, erscheint die Kolumne nun hier, jeweils am ersten Sonntag im Monat. Alle geschilderten Personen und Situationen sind frei erfunden, jedoch inspiriert von tatsächlichen Begebenheiten.