
Kommt die Sprache auf Heißgetränke, ertönt meist ein lauter Aufschrei: Kaffee! Für viele ist er die Starthilfe, um morgens überhaupt in Schwung zu kommen. Oder eher ein Alibi, wenn dieser von allein noch fehlt? Auch die Sprücheklopper sind schnell zur Stelle: „Nicht ansprechen, bevor der erste Kaffee intus ist!“, „Gib's mir intravenös!“ oder „Zuerst Kaffee, Weltretten kommt später!“
Tee oder Kaffee?
Die Leidenschaft für Kaffee konnte ich nie so ganz nachvollziehen – mich fasziniert ein anderes Heißgetränk: der Tee. Schwarzer Tee, leicht aufputschend, das darf er sein. Teetrinken eignete ich mir in den 1980er-Jahren an, bei zwei Sprachurlauben in England. Die Teetassen zierten das Hochzeitsfoto von einem Noch-Prinzen Charles und seiner ersten Gemahlin Diana. So saß ich in der Grafschaft Surrey, in der 20.000-Seelen-Gemeinde Godalming, und schlürfte Tee zum Frühstück – mit Milch, wie es sich gehörte. Dazu Toast mit Orangenmarmelade.
Marmelade or jam?
Ich hatte gesagt, ich esse gerne Marmelade zum Frühstück, bekam aber Orange – gewöhnungsbedürftig. Die Sorten Himbeer oder Brombeer hätte ich korrekterweise jam nennen müssen un dnicht marmelade. Aber ich war ja zum Lernen hier: Sprache, Sitte und Kultur, tradition! Also: English Breakfast Tea mit Milch. Kuhmilch.
Und seither ziehe ich das ziehende Getränk dem filterungsbedürftigen Kaffee vor. Für mich ist Tee aromatischer – und auch beschwingender. Der Schuss weißender Flüssigkeit gehört nach wie vor hinein, doch hat sich gerade hier mein Vorzug mehrfach gewandelt.
Die Reise der Milchalternativen
Sojamilch
Als ich begann, es seltsam zu finden, Eutersekret von Rindern zu trinken, war die einzige Alternative: Sojamilch. Im Tee jedoch entwickelte sie einen sehr eigenen Geschmack – nussig, etwas mehlig, zu spezifisch nach Soja, um den Tee noch als Tee genießen zu können. Ohne weiße Zutat war er mir zu bitter – also blieb ich einige Jahre der Kuhmilch treu.
Mandelmilch
Die erste echte Innovation kam später: Mandelmilch. Zarter, harmonischer, mit einer natürlichen Süße – ein Hauch von Marzipan im Tee, ohne aufdringlich zu sein wie die gleichzeitig in Mode gekommenen Aromasirups für Kaffee. (Warum sind die eigentlich wieder verschwunden? Das würde ich ja gerne mal von einem der Kaffeesüchtigen erfahren!)
Mandelmilch war – zumindest eine Zeit lang – perfekt. Geschmacklich überzeugend, eher eine Bereicherung für den Tee als eine Ablenkung vom Aroma des Himalayas. Doch bald meldete sich mein Öko-Gewissen. Mandeln, die in kalifornischen Plantagen mit enormem Wasserverbrauch angebaut und zur Bestäubung von Bienenvölkern aus aller Welt besucht werden müssen – oft mit tödlichem Ausgang für die Tiere …
Nein, das konnte ich nicht täglich in meinen Muntermacher light schütten. Schließlich lehne ich Kuhmilch ja unter anderem aus ökologischen Gründen ab.
Reismilch
Nächster Halt der Innovationsspirale: Reismilch. Auch getestet – und schnell enttäuscht. Es schmeckte, als hätte ich weiß gefärbtes Wasser in meinen Tee gegossen. Substanz? Fehlanzeige. Proteine? Wohl kaum. Mein Tee guckte mich an, als wollte er sagen: „Ist das ein Scherz?“ Also trennten wir uns wieder.
Hafermilch
Und dann – plötzlich – war sie da: Hafermilch! Die Rettung! Nicht zu süß, nicht zu dünn, nicht zu dominant. Leicht süßlich, selbst in der „zuckerfrei“-Variante. Perfekt. Ein echter Game-Changer! Umweltfreundlicher als alle anderen Alternativen, geschmacklich in Ordnung – die Heldin, die gekommen war, um zu bleiben. Und die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Danke!
No milk today
Ich sitze also bei meiner morgentlichen Tasse Hafer-Darjeeling. Der Tee kommt in der 1-Kilo-Packung aus fairem Bioanbau. Die Tasse ziert kein Prinzenpaar, sondern blau-weiße Streifen – segelbootmaritim. Ich denke an Godalming in Surrey und summe „No milk today“ vor mich hin. Doch „my love“ ist nicht „far away“ – sie ist in flüssiger Form und weißer Farbe in meinem Tee. Oat milk, so to say.
"Veni, vidi, vegi" ist meine monatliche Kolumne zu Themen rund um die vegane Lebensweise. Sie erscheint jeweils am ersten Sonntag im Monat. Alle geschilderten Personen und Situationen sind frei erfunden, jedoch inspiriert von tatsächlichen Begebenheiten.